Ostdeutschland hat ein «Superwahljahr» hinter sich - und Zugewinne verbuchte vielerorts die AfD. Demokratieinitiativen ziehen eine ernüchterte Bilanz.
Berlin. Die Massendemonstrationen zu Jahresbeginn haben den Rechtsextremismus in Deutschland aus Sicht von Experten nicht geschwächt. «Die Großproteste haben bei vielen Menschen die Hoffnung geweckt, dass sich endlich der Wind dreht», sagte Dominik Schumacher vom Bundesverband Mobile Beratung für Demokratieprojekte. «Passiert ist leider das Gegenteil». Die extreme Rechte sei in der Offensive und die Demokratie bedroht wie lange nicht, sagte Schumacher. Die AfD habe beispiellose Erfolge eingefahren und sei in Ostdeutschland stärkste oder zweitstärkste Kraft geworden. Zugleich hätten demokratische Parteien Forderungen von Rechtsextremen übernommen, etwa beim Asylrecht. «Die extreme Rechte konnte also auch ohne Regierungsbeteiligung Einfluss nehmen», sagte Schumacher. Der Leipziger Demokratieforscher Oliver Decker sagte, nach der «Correctiv»-Enthüllung des sogenannten Potsdamer Treffens rechter Politiker hätten vor allem Menschen demonstriert, die sich als Mitte-links verstünden. «Es ist ein relevanter Teil der Gesellschaft, aber es ist natürlich nicht die Mehrheit», sagte Decker. Es sei die Frage, wie man «Bündnisfähigkeiten» eher konservativer Menschen Mitte-rechts herstellen könne, denn es gehe um die Abwehr von Extremismus. «Wir können auf die in der Mobilisierung nicht verzichten», sagte Decker. Da gebe es Nachholbedarf. Sylvia Spehr vom Bündnis «Nordhausen zusammen» in Thüringen sagte, der Rückblick auf das Superwahljahr 2024 sei ernüchternd. 2023 habe das Bündnis noch dazu beigetragen, dass der AfD-Kandidat nicht Oberbürgermeister von Nordhausen geworden sei. Die Proteste seien Anfang des Jahres weitergegangen. «Wir haben einen Zwergenaufstand probiert», sagte Schehr. Das Kommunalwahlergebnis in diesem Jahr sei dann aber ein herber Rückschlag gewesen. Auch in Nordhausen sei die AfD im Kreistag und Stadtrat stark geworden. Der Bundesverband Mobile Beratung und Extremismusforscher Decker forderten die Politik auf, die Finanzierung von Projekten zur Stärkung der Demokratie auf Dauer anzulegen - und nicht nur immer für ein Jahr. Sonst würden die Strukturen der Zivilgesellschaft instabil. Schehr sagte, die Bundestagswahl sei die nächste Herausforderung: «Wir werden nicht leiser werden und am Ende wird die Demokratie stärker sein als ihre Feinde.» Der Bundesverband Mobile Beratung ist laut Selbstdarstellung der Dachverband von bundesweit etwa 50 Mobilen Teams, die unter anderem zum Umgang mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus beraten.Bündnis Nordhausen sieht ernüchternde Bilanz
Verband für stetigere Finanzierung
(dpa)
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